Maratona dles Dolomites 2002  

Jan am GrödnerjochAm 30.6.02 haben Wim, Reinhard, Sebastian, Heinzi, Nadja und ich am Maratona dles Dolomites teilgenommen. Über 7600 Teilnehmer machten die Veranstaltung zu einem eindrucksvollen Erlebnis!

Die Idee hierzu hatte ich bereits Ende des letzten Jahres. Zunächst infizierte ich Wim und Heinzi von diesem Vorhaben, dann erklärten auch die anderen mehr oder weniger spontan ihre Bereitschaft, an der Tortur teilzunehmen.

Keiner der sechs Teilnehmer hatte am Ende das Trainingsprogramm absolvieren können, das er sich vorgenommen hatte:

Bei Wim war es die Liebe, bei Heinzi und Jan die Gesundheit, bei Sebi der Nachtdienst, bei Reinhard und Nadja diverse Gründe, die dem Training aggressiv im Wege standen. Aber das war auch nur gut so, immerhin konnte keiner behaupten, der Radfahrgott habe ihn benachteiligt...

Bereits einige Tage zuvor waren wir alle in der Region eingetroffen. Auf dem Campingplatz Sass Dlacia in der Nähe von St. Kassian an der Auffahrt zum Valparaola-Paß auf knapp 1700 m Höhe hatten wir Quartier bezogen. Lediglich Wim war in einem Hotel am Campolongo-Paß untergekommen.

Die Idee, schon einen Tag früher, als die anderen anzureisen und ein frühes Höhentraining zu beginnen, war an sich genial ;-). So fuhr ich bereits drei Tage zuvor eine kleine Einfahrrunde über Valparaola-, Falzarego- und Campolongopaß, um die Form zu testen. Spätestens hier wurde mir klar, dass ich von der Bestform weit entfernt war. Nicht nur, daß ich andauernd von anderen locker passiert wurde, auch die Pulse waren trotz moderater Steigungen und lockerem Tritt ständig jenseits von 160... Keine guten Voraussetzungen. Am Samstag eine letzte kleine gemeinsame Ausfahrt, allerdings ohne Heinzi, der (auch geschickt...) die schweren Anstiege der Strecke noch einmal vom Auto aus betrachtete zu Wims Quartier, dann gab es kein Zurück:

Am Sonntagmorgen klingelt um 4:30 Uhr der Wecker. 

Unsere Befürchtungen nach der eiskalten Nacht zuvor (2°C!) bestätigen sich nicht. Mit 8°C ist der Morgen recht mild, lockere Wolken am Himmel, kein Wind. Sogar Heinzi nimmt das Rad vom Autodach und beschließt, aus eigener Kraft die Abfahrt nach Stern zu wagen.

Auf dem Weg dorthin sammeln sich die Ströme der Radler und verschmelzen zu einer einzigartigen Masse. Auf verschiedenen Startplätzen sammelt man sich, so daß wir uns schon früh von Sebi (Warsteiner - er hatte sich später angemeldet) und Nadja ( Altavista - alle Frauen), trennen müssen. In der Pinarellogruppe, wo ich mit Heinzi und Reinhard warte, gelingt es uns nicht, zu Wim hinüberzugelangen, zu groß ist der Auftrieb, obwohl er keine 150 m entfernt steht.

Hubschrauber überqueren die wartende Menge, werfen Rosenblätter ab und Filmen. Der vordere Rennabschnitt wird tatsächlich diesesmal live im italienischen Fernsehen gezeigt. Neben uns saugt einer gierig ein Powergel aus und schmeißt die leere Tüte zu Boden. Ein echter Held...

Den Start erleben wir eher schiebend und das Gleichgewicht haltend, dennoch sehe ich keinen einzigen Sturz. Bei jeder RTF wären schon Dutzende zu Boden gegangen. Überhaupt ist die Disziplin auf der gesamten Strecke überraschend gut. Wir rollen nach dem Überqueren des Teppichs zur Zeitmessung auf den Campolongo zu. Ein Einbeiniger ist auch dabei, im Nachhinein weiss ich nicht, wie man das schaffen kann!

Bereits am Campolongo verlieren Heinzi und ich Reinhard und kurz darauf auch Wim, den wir im Gewühl dann noch eingeholt hatten. Wenig später ist auch Heinzi nicht mehr hinter mir. 

Schon dieser erste Paß flößt Respekt ein, 

bei der Dolomitenradrundfahrt vor drei Jahren erschien er mir fast lächerlich. Die Abfahrt ist frisch asphaltiert, ruck zuck geht es schon in die über 30 Kehren des Pordoi hinein. Das ist ein wunderbarer Paß, in regelmäßigem Abstand windet man sich Serpentine um Serpentine nach oben. Leider sind die letzten Kurven im Nebel, dennoch merke ich schon hier, daß 95% der Fahrer mich überholen, kaum einer wird von mir gefrühstückt. Nebenbei schwatzen insbesondere die Italiener ununterbrochen.

Wieder geht es in rauschender Fahrt bergab, auch hier gibt es reihenweise wagemutige, die mich mit sicher 80 Sachen auf der Außenbahn überholen und die Kehren hineinfliegen. Spätestens hier ist auch der letzte schlecht aufgezogene Reifen am Ende. Reihenweise stehen sie am Rand und flicken. Ich überlege immer, was wohl passiert, wenn man bergab einen Platten bekommt. Nadja erlebt das, wie ich hinterher erfahre, live, zum Glück geht es glimpflich ab.

Die Kontrollpunkte zeichnen sich insbesondere durch laute Musik aus, besonders am Sella hört man diese bis hinauf zur letzten Kehre. Ob man das mag ist Geschmackssache, ich würde lieber die Stille der autofreien Natur geniessen... Fabelhaft ist die Ausschilderung, am Fuße der Pässe sieht man immer, was einen erwartet.

Nach dem dritten Anstieg am Sella- dem bisher schwersten - mit einer durchschnittlichen Steigung von mehr als 7% und der Abfahrt folgt der angenehmste: in der Mitte des Grödnerjochs gibt es nämlich ein recht langes Flachstück (siehe HAC-Profil), das ich auch zu einem ersten Fotostop nutze. 

Herrlich wie die Berge sich langsam aus dem Nebel lösen. 

Bisher war es recht kühl, aber trocken. An diesem Anstieg werden alle Fahrer fotografiert, man soll sich seine Durchgangszeit merken, ich notiere 9:20 Uhr. Mal sehen, wann die anderen hier vorbeigekommen sind. Das angenehme am Wetter ist, daß man nicht dauernd die Klamotten wechseln muß, ich fahre immer noch in dünner langer Hose, die Armlinge wandern immer hin- und her...

Das ist die Pflicht absolviert, es folgt die Kür: durch Menschenmasse rasen wir hinab nach Corvara, passieren das Zielareal um dann schon wieder in den Kehren am Campolongo zu stecken. Es ist warm, das erste Mal nehme ich bergauf den Helm ab. In den ersten Kehren sehe ich wieder Wims Auto am Rand parken. Die Dichte der Fahrer hat schon ein wenig abgenommen. Oben halte ich das erste Mal zur Verpflegung, bin aber ein wenig enttäuscht: nur Waffeln, der Rest ausgesucht, oder unerreichbar, da sich alle mit ihren Rädern an den Tischen drängeln. Zum Glück habe ich einige Kalorien in der Trikottasche ;-) 

Daß ich mich von meinem 20 er Schnitt verabschieden muß, wird mir spätestens hier klar, auch mit dem Endspiel der Fußball-WM, das um 13:00 beginnt, habe ich schon abgeschlossen. Auf der Abfahrt überlege ich lange, was ich jetzt mache. Zwar kann man sich auf dem nun folgenden Flachstück ein wenig im Windschattenfahren erholen, aber es ist nicht mein Tag, genau wie es bisher nicht mein Jahr war. Wenn ich genau in mich hineinhöre, stelle ich fest, daß auch die Mitteldistanz reichen würde.

Einen Gruppenschluß wie auf den hiesigen Marathons gibt es nicht, eine Erfahrung, die ich auch bei den Super-Cups schon machen konnte. Jeder fährt auf eigene Kappe, keiner hilft Dir. Bei einem kurzen Stop entledige ich mich der Hose und der Armlinge, die Temperatur steigt sprunghaft mit den weichenden Wolken. So fahre ich grübelnd daher, als die Entscheidung klar scheint: auf einmal bin ich schon am Anstieg zum Falzarego! 

Komisch, da muß ich den Abzweig verpasst haben. 

Das wäre eine gute Gelegenheit den anderen meine Entscheidung klar zu machen - den Abzweig verpennt. 

Aber bald merke ich den Irrtum, nach einigen Metern bergauf komme ich an die Streckenteilung. Wieder überlege ich intensiv. Jetzt noch den Falzarego, dann wäre es geschafft, das scheint locker drin zu sein. Aber bin ich dafür ganz hierher gekommen, habe ein halbes Jahr versucht zu trainieren?! Dennoch überkommen mich Zweifel. So, wie ich mich schon am Campolongo gequält habe, wird der Giau zur Folter. Ich fahre dennoch rechts, in ein schattiges, kurviges Stück und bald beginnt ein Anstieg, der gar nicht so schlimm ist. Hätte ich mir schlimmer vorgestellt, den Scharfrichter Giau. Aber auch hier die Ernüchterung: eine Kontrolle am Colle di San Lucia reisst mich aus den Träumen. Es geht wieder bergab mit herrlichem Blick zur rechten ins Tal, schnell ein paar Fotos gemacht, dann ist er da. Und er ist nach den vorhergehenden Pässen wirklich fürchterlich. Vergleiche sind immer schwer, aber die Art und Weise, in der ich im ersten Gang dem Berg jeden Meter abringe, erinnert mich an den Ventoux, den Glockner, das Penser Joch, aber so fertig habe ich mich wirklich noch nie gefühlt.

Aber ich bin nicht alleine. Vom ersten Meter an versiegt jede Kommunikation. 

Auf den gut 10 Kilometern höre ich nicht ein (!) gesprochenes Wort. 

Jeder ist mit sich alleine. Wie ich da hochgekommen bin, weiss ich nicht mehr genau. Spannend war, daß jeder irgendwie seine Position hielt. Symmetrisch, im Gleichschritt pumpten alle hinauf, die kleine Brücken über den Bach zur Erholung nutzend.

Endlich oben, geschafft! Das Feld hinter mir schon ziemlich ausgedünnt, aber immer noch jede 5 Meter ein Fahrer. Eine kurze Pause oben, dann schieße ich hinab, das Leiden verkürzen. Die schlechteste Abfahrt bisher, der Asphalt rissig, Posten rudern warnend mit den Armen. Bloß kein Sturz jetzt, schon ein wenig müde und unkonzentriert? Direkt aus der Schußfahrt hinab geht es wieder in die Steigung hinein. Ich hatte bergab die Jacke angezogen, hatte Angst vorm Auskühlen. Nur nicht leichtsinnig werden. Jacke wieder aus - Gott sei Dank ein moderater Anstieg, aber auch dieser hat seine Länge. Um mich herum sind alle mindestens so alle wie ich, jeder ist mit sich alleine. Keiner fährt mehr in irgendeiner Weise locker. Auf der Paßhöhe ziehen sich die Wolken zusammen, Musik an der Gaststätte, viele Menschen. Der Zusammenschluß mit den 110ern erfolgt. Bei mir setzt die sichtbare Höhe des Valparaola letzte Kräfte frei. Mit Gänsehaut hinauf, einige schieben jetzt.

Im leichten Niesel schnell die Jacke anziehen und beten, dass der Regen nicht zunimmt. 

Rechts sehe ich die Zufahrt zu unserem Campingplatz, ich sehe bekannte Gesichter, aber keine unserer Frauen (die schauen gerade Fußball...). In Stern noch schnell heraus aus der Jacke und die letzten Höhermeter bergauf. Zwei reichlich frische Italiener lutsche ich an. Auf diesem Stück überhole ich noch Dutzende. Die Zieldurchfahrt, der Tacho zeigt 7:47 Stunden Fahrtzeit. Der Transporter wird gegen 10 € zurückgetauscht, eine Flasche Energiedrink. Wo sind die anderen? Ich sehe keinen. Erst im Zelt treffe ich Wim, der auch noch nicht solange dort ist. Von Heinzi, Sebi und Reinhard keine Spur.

Nach dem Würstl mit Wim fahre ich hinauf zum Camping (8 km, 250 HM...). Treffe zunächst Heinzi, dann sehe ich Reinhard bergab zischen, kurz darauf der Besenwagen. Dann endlich: geschafft!

Am meisten überrascht hat mich, daß Reinhard auch die lange Strecke gefahren ist. Hier zählt weniger die Zeit, als es geschafft zu haben. Aber es gilt für alle, daß sie für sich respektable Leistungen erbracht haben. Und das ist - neben der Tatsache, daß alle gesund und munter angekommen sind - die Hauptsache!

 

Zum Bericht von Heinzi Der Bericht aus der lokalen Presse am nächsten Morgen:

 

Verteilung der Finisher 2002:

Strecke 57 km 110 km 147 km
Frauen 220 188 133
Männer 1040 2285 3210

 

Die Ergebnisse unserer Teilnehmer im einzelnen:

Name Übers. Gesamt Schnitt Platz (Ges./AK) Pordoi Corvara Campolongo Zeit Campol. Selva C. Giau Zeit Giau Falzarego
Nadja 57 km 39/34 4:19.53  13,28 133/92 2:05.50 4:19.53             
Wim 110 km 30/25 7:27.13 14,76 2179/356 1:55.48 3:55.47 4:42.25 46.37       6:27.58
Sebi 110 km 39/28 6:08.59 17,89 1396/341 1:40.43 3:16.59 3:56.42 39.42       5:21.42
Jan 147 km 39/32 8:00.55 18,34 2477/603 1:37.31 3:11.44 3:45.44 33.59 4:48.34 6:03.01 1:14.27 7:19.17
Heinzi 147 km 36/34 9:06.57 16,13 3096/719 1:43.17 3:27.42 4:05.55  38.13 5:08.34  6:30.30 1:21.56 8:10.39
Reinhard 147 km 39/34 9:24.57 15,61 3156/328 1:59.37 3:49.14 4:34.51 45.37  5:37.14 7:03.23 1:26.08 8:32.46

 

Bilder vom Tag des Marathons:


Nadja um 4:30 Uhr


Sebi um 4:30 Uhr

Reinhard um 4:30 Uhr

Heinzi um 4:30 Uhr


Heinzi am Start


Am Start

Anstieg am Grödner Joch

Am Colle di S. Lucia


Blick ins Tal


Verpflegung am Giau 

Szene am Giau

Blick zurück

 

 

Profil der HAC 4 Software: Das offizielle Höhenprofil:

 

Name Abfahrtsort Km Anfangshöhe Endhöhe Höhendiff. Durchsch. Steigung Schwierigkeit
Campolongo, Passo Corvara 6,15 1.568 1.875 307 5,00 % 35,29
Pordoi, Passo Arabba 9,40 1.602 2.239 637 6,80 % 70,27
Sella, Passo bivio Pordoi 5,50 1.815 2.214 399 7,30 % 57,96
Gardena, Passo Südwest-Anfahrt 5,90 1.871 2.121 250 4,20 % 27,54
Campolongo, Passo Corvara 6,15 1.568 1.875 307 5,00 % 35,29
Giau, Passo Selva di Cadore 10,12 1.314 2.236 922 9,10 % 120,44
Falzarego, Passo Cortina 16,40 1.204 2.117 913 5,60 % 73,10

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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