Radreise nach Andalusien vom 4.3. - 11.3.2005

Auf der Suche nach den Vías Verdes...

Nach unserer letzten gemeinsamen Radreise Ende 1999 war es endlich wieder so weit: Meike und ich konnten zusammen eine Tour machen! Nachdem meine Eltern sich als Gastgeber für Lars und Nils bereit erklärt hatten, stand dem Unternehmen nichts mehr im Wege...

Ein gemäßigtes Land mit im März schon akzeptablem Wetter und einem gewissen Etwas sollte her. Und war schnell gefunden... 

Insbesondere die wenig bekanntes Vías Verdes hatten es uns angetan, alleine schon die geringe Menge an zu bekommender Information trotz einer schönen Homepage sprach Bände, so hofften wir, für noch zu entdeckendes Neuland. 

4.3.2005

Im strömenden Regen landen wir in Malaga, der Pilot berichtet von 10 Grad Außentemperatur, die letzten überflogenen Berge schneebedeckt! Das kann ja heiter werden... An der Gepäckausgabe darf ich zusehen, wie die freundlichen Herren mein Rad auf dem Laufband verkeilen, auf den Inhalt meiner Schimpftirade verzichte ich hier.

Bei 7° C fahren wir dann letztlich im brüllenden Verkehr hinaus aus der Stadt - grauenvoll. Ein Stück Schnellstraße, ein paar Mal gefragt und langsam bessert sich die Straßensituation. Nach gut 11 km in Alhaurin de la Torre endet unser erster Radltag. Das zweite Hostal an der Strecke bekommt den Zuschlag und wir verbringen der Abend mit dem Trocknen der Klamotten und Warmwerden an der einen Röhre des Heizstrahlers, draußen prasselt der Regen weiter. Zu Abend gibt es selbst gemachte Tapas aus dem Supermarkt nebenan. Erschlagend das Angebot - wenn ich da an meine letzte Tour zurückdenke... Preislich scheint es mir in Spanien insgesamt auf von zuhause bekanntem Niveau zu liegen.

5.3.2005

Ein wunderschöner klarer Morgen bei 3° C, aber ein toller Blick auf schneebedeckte Berge überall! Im ersten Licht verlassen wir das Hostal und freuen uns wie die Kinder. Ewig zieht sich die recht ruhige Strecke nach Coín wo wir bei km 21 einen Einkauf im Lidl machen. Junge, Junge, infrastrukturell ist es wie zuhause. Ich muß mich nach vielen Jahren Radtouren in Nordafrika erst einmal wieder daran gewöhnen, wie bequem das Radreisen sein kann: aalglatte Straßen, jede Menge Versorgung. Aber wo Licht ist, ist auch Schatten: alles ist dicht besiedelt, die "Dörfer" auf der Landkarte entpuppen sich als quirlige Kleinstädte mit reichlich Autos, der Verkehr ist schnell.

Auf dem Weg nach Alozaina überholt uns sogar ein Rennradfahrer. Die ersten 10 km geht es sanft bergauf und wieder hinab, dann folgt ein kräftiger Schlußanstieg in den Ort hinein. Wir sitzen in einem Café in der Sonne und genießen den Blick auf die halbkreisartig angelegte Stadt. Der Aufstieg nach Yunquera ist völlig aufgerissen und ähnelt einer Piste, offenbar wird die Straße breiter ausgebaut. Es ist Samstag und der Schnee in den Bergen hat die Spanier völlig entfesselt. Zu Hunderten fahren sie hinauf und tollen mit den Kindern im Schnee. Die hinab fahrenden Autos haben alle kleine Schneemänner auf den Motorhauben und Dächern!

In Yunquera die ersten Schneemänner am Straßenrand, langsam entwickelt sich eine geschlossene Schneedecke, die Straße ist zum Glück frei. Der Puerto de las Abejas mit 820 m wird passiert. Meike überrascht mich total, da sie immer nur kurz hinter mir schon an den steilen Punkten auftaucht, so dass mir gerade noch Zeit zum Fotografieren und Filmen bleibt...

Die schnelle Abfahrt nach El Burgo ist angenehm, im Ort gibt es einen kleinen Laden, wir wir erneut in einem Laden einige Kleinigkeiten besorgen und gepflegt auf einer Bank speisen. Die Hitze der Sonne in der windgeschützten Straße steht in vollem Kontrast zur Umgebung und den Erlebnissen auf dem kleinen Pässchen. Hinter dem Ort überholen wir zwei Reiseradler mit Minimalgepäck, die den Berg hinauf schieben. Wir sind noch fit und nehmen den Anstieg zum 1190 m hohen Puerto del Viento unter die Räder. Den völlig verschneiten Parque Natural Sierra de las Nieves zur Linken tauchen wir in eine großartige Landschaft ein. Hohe Bäume spenden Schatten und es ist mittlerweile in der Sonne und bei wenig Wind so warm, dass ich in "kurz-kurz" aufsteige und begeistert die Passhöhe herbeisehne - oben belohnt uns ein grandioser Blick ringsherum. 

Die Abfahrt nach Ronda ist schnell erledigt und wir rollen in die Stadt hinein. Schnell finden wir einen Panaromaweg, der einen wunderbaren Blick in die Ebene erlaubt. Phantastisch, wie die Stadt auf den steil ansteigenden Felsen liegt und der Rio Guadiaro Alt- und Neustadt trennt. Ein Quartett spielt klassische Musik die leise und angenehm über die Puente Nueve zieht.

Wir verweilen eine Zeit aber es zieht uns weiter in die Ruhe der Natur. Über kleine, auf der Generalkarte weiße Sträßchen, fahren wir nach Norden, passieren das wunderschön in der Schlucht gelegene Setenil de la Bodegas und schlagen dann irgendwo am Ufer des Rio Trejo unser Zelt im letzten Sonnenlicht auf. Ein langer mit über 2000 Höhenmetern extrem anspruchsvoller, aber wunderschöner Einstiegstag unserer Radreise nach Andalusien! 

6.3.05

Am Morgen ist alles (!) von Raureif überzogen, kein Wunder bei -3,4°C. Dennoch kommen wir gut los und fahren gegen 8:30 Uhr in der wärmenden Sonne nach Torre-Alháquime hinauf, wo wir im noch ausgestorbenen Örtchen frühstücken. Anschließend beginnt ein langer Anstieg in das wunderbar auf 633 m gelegenen Olvera. Dort ist an der ersten Kreuzung der Vía Verde de la Sierra bereits ausgeschildert! Ungläubig rauschen wir in rasender Abfahrt einigen Mountainbikern hinterher, die offenbar ihren Sonntagsausflug machen hinunter zum Beginn der Strecke im Tal. Erstaunlicherweise lagen die Bahnhöfe der Strecke immer ein ganzes Stück entfernt vom eigentlichen Ort, was die Trassierung der Route wohl erheblich erleichtert hat. 

Die ersten Kilometer sind noch asphaltiert, insgesamt 24 eiskalte Tunnel sind zu durchqueren. Die Pfützen des Regens der letzten Tage sind noch gefroren, wir ziehen nach und nach einiges wieder an, um die Kühle zu ertragen... Vier teilweise herrliche Viadukte sind zu bezwingen, rechts und links der Strecke liegen almartige Wiesen, Stiere, Schafe und etliche verfallene Bauernhöfe und Ansiedlungen säumen den Weg. Verkehr gibt es nur ganz selten, überwiegend sind es aber Autos , die wegen einer Straßensperrung wegen eines Radrennens umgeleitet werden, insgesamt vielleicht 10 Stück auf der gesamten Route. Die ganze Strecke ist hervorragend beschildert, jeder Tunnel vermessen, jede Brücke und Sehenswürdigkeit zweisprachig erklärt.

Völlig begeistert erreichen wir nach 36 km die Endstation Puerto Serrano auf 162 müNN, ebenfalls weit entfernt vom eigentlichen Ort gelegen. Der Betreuer des Vía Verde befragt uns nach den Eindrücken und Mängeln der Strecke und erläutert uns einige Dinge am Rande. Über den Zustand und die Lage des von uns als nächstes angepeilten Weges kann er leider nicht sagen.

Wir machen eine längere Eßpause und erholen uns von den zuletzt doch zahlreichen unbeleuchteten Tunneln, die manchmal ein bisschen kritisch und Angst einflößend waren. Leider folgen 10 etwas unschöne Kilometer auf der A 376, der Hauptroute nach Sevilla, bis wir gen Nordost nach Montellano abbiegen und uns in einer Bar erholen können. Endlich ist es in der windgeschützten Straße einmal erholsam warm und Urlaubsgefühl kann aufkommen. Die Strecke nach Morón de la Frontera ist dann trotz der Kategorie "rot" eine echte Erholung, wir fahren sanft auf und ab und kommen auf toskanische Gedanken - wenn nur nicht die vielen Betonwerke und Steinbrüche am Ende gewesen wären... Hier finden wir eine große Tankstelle, wo endlich ein wenig Körperpflege betrieben werden kann. Es gibt zudem Eis und leckeren Orangensaft. Frisch gestärkt rasen wir jeder mit einem 4 L Wassersack mit großartigem Rückenwind und teils über 30 Sachen nach Norden, wo wir nach 16 km die Autobahn ähnliche Straße Sevilla- Granada kreuzen und wenige Kilometer später in eine gute Ausgangsposition für den morgigen Vía Verde de la Campiña fallen: eine kleine Lehmpiste verlässt die Hauptroute nach Westen und etwa 7 km vor Marchena finden wir umgeben von zahlreichen Plantagen und Olivenhainen einen leiblichen Platz, an dem wir zwar noch einigen Besuch in Form Auto fahrender Bewohner der umliegenden Bauernhäuser bekommen, aber es uns in der milden untergehenden Sonne gut gefallen lassen - die Wassersäcke ergeben eine erquickende Dusche.

Exkurs Vias Verdes
Vías Verdes/Greenways sind das Resultat des Umwandelns von außer Betrieb genommenen Bahnlinien in Rad- und Wanderwege. Einfach, zugänglich, weit entfernt von motorisiertem Verkehr und ohne steile Steigungen werden sie besonders für Naturliebhaber empfohlen. 

Es gibt bereits 1.300 Kilometer von Greenways in Spanien (mehr als 50 Vías Verdes), die sorgfältig aufbereitet wurden, um die versteckten Ecken der spanischen Landschaft zu entdecken zu können.

Es ergibt sich eine reizvolle Art durch außerordentlich schöne Landschaft zu reisen: erstaunliche Senken und Berge, eindrucksvolle Brücken und Viadukte, teils mehr als hundert Jahre alt, geheimnisvolle Tunnels, durch die einmal Züge fuhren, sind jetzt frei zugänglich.

Fast alle Informationen auf der offiziellen Website www.viasverdes.com sind auf Spanisch, nur einige auf Englisch (man arbeitet daran). Es gibt grundlegende Informationen über 67 Vías Verdes, wenn man einen virtuellen Besuch mit ausführlicheren Informationen von irgendeinem Vías Verdes machen möchte, kann man diese unter "Visita virtual" sehen. 

Teilweise werden auch organisierte "Reisepakete" angeboten, die eine Kombination mehrerer Streckenabschnitte ermöglichen

Das Vías Verdes Programm wurde in Spanien 1993 mit dem Ziel angestoßen, Reisewege für den nicht-motorisierten Transport auf außer Betrieb genommenen Bahnlinien zu entwickeln. Seit es begann, ist das Vías Verdes Programm das Ergebnis enger Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen öffentlichen Sektoren (lokal und regional), einschließlich der Bahnfirmen sowie verschiedenen Bürgergruppen. 

Quelle: frei nach www.viasverdes.com 

Für uns war es vor der Reise extrem schwierig Informationen zu bekommen, da nur sehr wenige Reiseberichte von der Befahrung und Erreichbarkeit der Strecken im deutschsprachigen Internet bestehen.

7.3.05

Immerhin bringt die Nacht keinen Frost. Nachdem die Sonne das nasse Zelt getrocknet hat, fahren wir nach Marchena hinein und warten zuerst eine Viertelstunde (die Meike mit Kaffee und Churros verbringt) bis der Lidl öffnet und dann eine weitere Stunde bis zum Öffnen der Touristeninformation, da es keinerlei Hinweise auf den Vía Verde gibt und auch ein befragter Straßenpolizist nur mit den Schultern zuckt...

Die Wartezeit auf einem kleinen von Kirchen eingerahmten Platz ist aber recht kurzweilig, zumal insgesamt über 15 Störche die Dächer der umliegenden Gebäude bevölkern und mächtig klappern und Landeanflüge proben. Die zwei netten, aber völlig ahnungslosen Damen der Touriinfo versuchen in einem Kauderwelsch aus mehreren Sprachen uns von der Schönheit der Gegend zu überzeugen, schlagen vor einen Mietwagen zu nehmen, um Écija, Osuna und Carmona zu besuchen, haben aber von einem Vía Verde und den mitgebrachten Unterlagen aus dem Internet noch nie etwas gehört oder gesehen. Ein letzter verzweifelter Versuch: Meike schlägt vor, es direkt am Bahnhof zu versuchen. Hier der Schlag ins Gesicht: der nette Bahnhofsbeamte bringt es auf den Punkt: der Vía Verde de la Campiña "existiert nicht", es sei noch ein "Zukunftsprojekt", so seine Worte.

Völlig enttäuscht beraten wir uns. Dieser Weg war ein zentraler Bestandteil unserer Routenplanung. Spontan beschließen wir nun die beiden weiteren geplanten Strecken in Gegenrichtung zu befahren und ändern unseren Kurs nach Osten, Richtung Puente-Genil, wo in der Nähe der Vía Verde de la Subbética beginnt. Leider haben wir die Rechnung ohne den Wirt, äh Wind gemacht. Dieser bläst in den kommenden Tagen eiskalt und recht kräftig genau aus Ost und raubt uns in den kommenden Stunden zeitweilig jede Motivation. Die folgenden, an sich recht schönen 17 km nach La Lantejuela lassen uns mehrfach an das Einsteigen in einen Zug denken, kaum mehr als 13 km/h sind bei hohem Krafteinsatz möglich. 

Das Ganze in Goretexjacke, Stirnband und Winterhandschuhen lässt Erinnerungen an das marokkanische Chaos vor 6 Wochen aufkommen. Ich muß sagen, dass ich selten auf einer Radtour so genervt war, wie an diesem Tage. Völlig flach ist es zudem, kein Baum, wir sehnen uns nach den Bergen. Hinter El Rubio schwenkt die Straße nach Südosten, kleiner Hügel kommen auf, es ist eine unter normalen Bedingungen wunderschöne Strecke mit einsamen Großgehöften in traumhafter Lage. Eine Lagune am Wegesrand mit Flamingos, es gibt sogar einen netten Wanderweg zu den zahlreichen Gewässern der Umgebung für Vögelbeobachter. Bis Herrera steigt die Strecke nun sanft an, durchläuft Puente-Genil, einen betriebsamen, stark industriell geprägten Ort, wo wir in einem Gewebegebiet bei Carrefour einkaufen und eine Tankstelle für eine Haarwäsche missbrauchen. Hier erfahren wir auch, dass es den beiden Zwergen bei meinen Eltern gut ergeht und alle noch am Leben sind...

In der Annahme die stark befahrene A 340 nach Lucena vermeiden zu können, lavieren wir uns über kleinste Sträßchen ins Abseits: der auf der Karte eingezeichnete, Parallel zur Hauptstraße führende Abzweig existiert nicht und wir müssen zahlreiche Kilometer auf der völlig zerfetzten Piste zurück. Meike reicht es zu Recht und wir brechen irgendwo in einen Olivenhain und beginnen zu kochen, übrigens das großartige Reisgericht, das mein Mitreisender Wolfi in Marokko dabei hatte, und von dem ein kleines Paket neulich bei uns eintraf...

Mitten in diesem riesigen Olivenhain nähert sich nun ein Transporter mit drei Männern und parkt ca. 20 Meter entfernt von uns ein - nur um nach etwa einer Viertelstunde wieder davon zu fahren. Noch heute rätseln wir herum, was die Herren dort gesucht haben.

8.3.05

Wir wachen jedenfalls unbehelligt am nächsten Morgen nach 11 Stunden Schlaf auf. Erneut ist es bitter kalt und mit -3,6°C auch der kälteste Moment der Reise. Zurück zur A 340und 14 km darauf weggefahren getreu dem Motto Augen zu und durch, 2 km nördlich davon der kleine Ort Navas del Selpillar, wo der Vía Verde de la Subbética beginnt. Aber welch eine Enttäuschung: 2 cm tiefer, kleinschottriger Belag, der jedes Vorankommen bremst, zudem eine völlig unspektakuläre, flache Landschaft durch Olivenplantagen, der Wind voll von vorne. 5 Kilometer mühen wir uns hier ab und blicken erneut auf die Karte. Zähneknirschend nehmen wir die Variante vom Regen in die Traufe und machen auf den wohlklingenden Straßen N 331, A 340 und A 316 über Lucena, Cabra bis Doña Mencia schnelle 30 Kilometer weg. Man kann über solche Aktionen ja geteilter Meinung sein. Wir waren am Ende nicht unglücklich über unsere Aktion, denn die gute Asphaltqualität und der Ausbauzustand der Bundesstraßen lassen eine recht hohe Reisegeschwindigkeit zu.

Kurz vor Doña Mencia sehen wir von rechts den Vía Verde bereits oberhalb der Straße laufen, bei der nächsten Gelegenheit steigen wir ein und werden für unser Vorhaben belohnt: ein wahrhaftig wunderbares Stück beginnt, zunächst die grandiose Kulisse von Zuheros mit dem großen Viadukt, dann das völlig einsame, sehr hügelige Hinterland mit dem großen Valdomojón-Stausee und der Laguna Honda. Hinter jeder Kurve ergeben sich auf diesem Teilstück neue Aspekte. Schade nur, dass der extrem kalte Winter dieses Jahres (dem kältesten seit etwa 40 Jahren) die Vegetation in einem tiefen Dämmerschlaf hält. Kein Blatt an den Bäumen, keine blühende Pflanze die ein bisschen Farbe stiftet. Wie schön muß es hier wenige Wochen später noch werden?!

Bei km 25 übrigens der erste Mensch auf diesem Abschnitt, ein spanischer MTB-Fahrer. Ein zweiter wird es noch werden, auf über 50 Kilometern, am Ende in Martos treffen wir noch eine Handvoll Spaziergänger. Der Mittagsstopp in der glühenden Sonne tut gut, wir wärmen uns endlich mal wieder richtig durch. Über Alcaudete, wo inzwischen der Vía Verde del Aceite begonnen hat, setzen wir die herrliche Reise fort. Offenbar existiert dieser Streckenabschnitt schon etwas länger, denn der lästige und völlig fahrraduntaugliche Kies ist hier besser komprimiert, man fährt teilweise sogar recht kommod auf dem darunter liegenden, jetzt sichtbaren Asphalt. Über zwei lang gezogene, nie wirklich steile Rampen erreichen wir Martos, wo wir den schönen Weg leider verlassen müssen, aber eine Durchquerung von Jaén wollten wir uns dann doch nicht geben... Hier gibt es schöne Ausstiegsmöglichkeiten nach Süden. Übrigens ist der Weg aufgrund von einigen Hausneubauten hier (vorübergehend?) unterbrochen und setzt sich erst ca. 500 m später fort.

Richtung Fuensanta  de Martos setzen wir die Reise fort, bekommen in einer Werkstatt noch ein bisschen Wasser fürs Biwak und beenden den interessanten Tag hoch oben auf einem Hügel im Olivenhain mit Blick in alle vier Himmelsrichtungen bei grandiosem Sonnenuntergang am Kocher - kein Hotel der Welt könnte für uns schöner sein.

9.3.05

Erstmals ist am Morgen unser Zelt völlig trocken, was sicher am jetzt schon spürbaren Wind liegt. Mein Rad ist in der Nacht umgefallen, Urasche ist ein Plattfuß hinten, der das Loskommen ein wenig verzögert. Das Loch wird gefunden, die Ursache nicht. Nach wenigen Kilometern erreichen wir Fuensanta de Martos. Meike entdeckt einen unscheinbaren Abzweig nach Castillo de Locubín, eine wirklich lohnenswerte Alternative, vielleicht der Grundstein unserer Entscheidung, von jetzt an nur noch (wo möglich...) die kleinen weißen Sträßchen der Karte zu benutzen. Jeder kennt solche Momente: ein klarer kühler Morgen, grandiose Sicht, kleine Rauchsäulen über den Häuschen, kein Auto weit und breit, ein frisches schwarzes, schmales Asphaltsträßchen windet sich durch wunderschöne Landschaft. Man müsste die Zeit anhalten können - Steigungen werden so zum Vergnügen und solche gibt's in den nächsten Tagen reichlich. Jeweils 1700 bzw. 1800 Höhenmeter kleckern auf unserem Zickzack der nächsten beiden Tage gen Malaga auf diese Art zusammen.

An Castillo de Locubín fahren wir rechts vorbei und legen 4 km auf der N432 zurück, um dann wieder in die Einsamkeit und Ruhe der Olivenhaine und Berge einzutauchen. In einem kleinen Örtchen kehren wir in einem Krämerladen mit dem passenden Namen Super Manuela ein. Manuela hat alles ist gut sortiert, sogar die einzelne Rolle Klopapier macht sie möglich, den Rest der Großpackung will Sie verwerten. Erstaunlicherweise werden wir immer zuerst gefragt, ob wir Amerikaner wären, so auch hier. Ein Schuss in den Ofen ist die Suche nach dem Bäcker, einem in keiner Weise gekennzeichneten Haus, das letztlich trotz Klingelns verschlossen bleibt.

Mehrfach schon haben wir heute das Flussbett des Rio de San Juan gequert, jedes Mal verbunden mit einem tiefen Absturz um einige Dutzend Höhenmeter, dieses mal aber haben wir es zu weit getrieben: die vermeintliche Abkürzung nach Fuente-Tójar endet blind an einer Stelle, die lapidar mit "Fin del Camino" beschildert ist. Plötzlich nur noch ein Schotterweg im Olivenhain, der dann völlig verdämmert. Nach langem Gefrage, keiner weiß Bescheid, müssen wir einen großen Teil des Weges wieder zurück, inklusive - na man ahnt es schon, der Traversierung des Rio de San Juan...

Ein Bad im eiskalten Wasser des Flusses bringt allerdings die Frische zurück und wir legen ein Stück auf der schon bekannten A 340 zurück, um dann im hübsch gelegenen Almedinilla letzte Einkäufe für unsere Übernachtung zu tätigen. Irgendwie sind fast alle Orte mit ganz wenigen Ausnahmen, die wir auf unserer Reise passiert und durchfahren haben, ein optischer Leckerbissen, sowohl aus der Ferne, wie auch im Kern. So auch hier enge Gassen, blendend weiße Häuser, ein toller Blick in die Ferne, eine kleine Quelle. 

Über eine recht befahrene und besiedelte Straße fahren wir nach Südwesten hinaus auf der Suche nach einem Zeltplatz, plötzlich sind die schneebedeckten Wände der umgebenden Berge wieder sehr nahe, unbemerkt sind wir auf 860 müNN gelandet, dem höchsten Biwakplatz der Reise.

10.3.05

Dementsprechend auch ein Nacht deutlich unter 0°C, das Eis purzelt aus dem Zelt beim Einstopfen in den Packsack... Wir steigen noch auf 1050 m auf, es folgt eine ziemlich löchrige und bucklige Abfahrt nach Algarinejo. Im winkligen Ort verfahren wir uns mehrmals mangels Beschilderung und geraten dann auf die richtige Strecke, die in einem grottenkalten Flusstal führt. Ein wichtiger Straßenarbeiter hält uns 5 Minuten auf (nebst zahlreichen anderen Autos), irgendwann reißt der Geduldsfaden und wir fahren problemlos an einem frischen Teer verlegenden Gefährt vorbei. Die Straße ist keine solche mehr, allerfeinste Piste in allen Nuancen begleitet uns ca. 5 km, bis wir völlig eingestaubt die Abfahrt zum Stausee von Iznajár erreichen. Auf der recht befahrenen Straße über das Wasser treibt ein Schäfer gnadenlos seine Herde über die die Brücke. Überraschenderweise existiert hier eine "Ruta senderista y cicloturista" um einen großen Teil dieses mächtigen Sees. Uns schreckt allerdings der Umweg, den wir erwarten - im Nachhinein hätten wir hier eine recht unangenehme Steigung der Hauptstraße umgehen können. Die Nebenstrecke nach Villanueva de Algaidas ist aber auch eine Reise wert, hier sind schnell mal wieder 400 HM platt gemacht und uns überrascht ein wenig die aufziehende dichte Bewölkung. Auf der Abfahrt in den Ort treffen wir einen holländischen Langzeitreiseradler, der eine lange Zeit seiner 1 jährigen Tour in Marokko verbracht hat. Natürlich geht's im kurzen Plausch mehr um mein letztes als das aktuelle Reiseziel...

In Villanueva de Algaidas ist es mild genug für ein Eis und einen café con leche in einer Bar. Sehr enttäuschend die Zufahrt nach Antequera: hatte ich aufgrund der Hinweise des aktiven Spaniers José im bikefreaks-forum extra diesen Umweg im Programm, so liegt der Ort völlig unspektakulär am Südrand der Ebene des Rio Guadalhorce und ist zudem von zahlreichen Autobahnen und Schnellstraßen umgeben. Unter dem Motto "Augen zu und durch" kaufen wir noch schnell ein paar Kleinigkeiten im Supermercado ein und beginnen die Auffahrt zum Torcal. Erstaunlicherweise gibt die Karte keinen Hinweis auf die Existenz eines Passes. Aber Meike Vermutung " es geht sicher wieder über 1000" ist völlig korrekt. Über eine hochalpin anmutende Zufahrt durch Almen und Wiesen schlängelt sich die Straße an Antequera vorbei und zeigt jetzt endlich einen herrlichen Blick auf die von dieser Seite in bestem Panorama liegende Stadt. 

Weiter bergauf in kalten Wind steigt die Straße sogar in Serpentinen, echt alpines Gefühl kommt auf. Ich treffe eine Amerikanerin mit in Granada gekauftem 100 Euro Rad, die gänsehäutig fragt, wie lange es noch bergauf geht -  witzigerweise genau an der höchsten Stelle der Strecke. Wir überlegen kurz, nachdem wir eine Quelle entdeckt und unsere Wasservorräte ergänzt haben, ob wir in der Höhe mit dem weiten Blick bis hin zur Sierra Nevada zelten sollen, entschließen uns dann aber doch wegen der Kühle, die gut 300 HM hinunter bis hinter Villanueva de la Concepción unter die Räder zu nehmen.

11 Kilometer weiter finden wir im letzten Tageslicht einen Traumplatz hoch über der Straße und freuen uns auf die letzte Nacht unter freiem Himmel. Erstaunlich mild ist der Abend, fast 10° C als wir ins Zelt kriechen. Vor Mitternacht setzt noch Dauerregen ein und wir sind gespannt, ob es morgen wieder Schnee geben wird?

11.3.05

Der Wind hat die Spuren des Regens vom Zelt geblasen, dramatisch sieht es aus in den Bergen mit den tief hängenden Wolken. Die Straße ist noch nass, das Thermometer hängt bei 10°C. Traurig rollen wir weiter bergab, immer wieder sind kleine Gegensteigungen zu überwinden, einmal sogar ein richtiger Brocken. Erstmalig auf unserer Reise sehen wir blühende Blumen, ohnehin ist es hier saftig grün, wir fühlen uns ein bisschen an den Sommer erinnert. Diese Strecke muß auch in der Gegenrichtung ein wahrer Leckerbissen sein, allerdings wird es schwierig sein, den Einstieg zu finden. Übergangslos befindet man sich plötzlich im Verkehrchaos der Großstadt. Wir befragen einen Polizisten nach dem Weg zum "Aeropuerto" und werden auf die "Autovia "geschickt, wo wir zwischen dahinrasenden Autos und LKWs eingequetscht sind. Besonders kritisch sind die zweispurigen Zubringer von rechts, wo die Karawane mit über 100 Sachen angeschossen kommt...

Zu allem Überfluss fängt es nun auch noch an zu regnen, aber irgendwie erreichen wir die Salidas-Spur des Flughafens und retten uns ins Terminal. Ärgerlich ist die ausschließliche Möglichkeit, das Sperrgepäck über das Rollband einzuchecken. Wofür wir die 20 € pro Strecke pro Fahrrad zahlen weiß ich nicht, zumindest eine Handverladung sollte drin sein, haben wir doch zusammen keine 30 kg Gepäck, Aufpreis für Übergewicht kann es doch nicht sein?

Nach einer langen Reise mit zwei Stunden Aufenthalt kommen wir erst nach Mitternacht zuhause an. Ein schneller Blick in die Kinderzimmer: ob sie uns morgen wohl erkennen...

Höhenprofil:

Gesamtprofil der Reise (ohne 1. Tag)

Fazit:

Es war eine runde, angenehme Reise, die wir gerne in ähnlicher Art jederzeit wieder machen würden. Die extrem gute Infrastruktur in den malerischen Orten, der in der Regel gute Straßenzustand und die gute Versorgungslage gepaart mit hoch interessanten landschaftlichen und kulturellen Highlights ergeben eine interessante Mischung bei der für jeden etwas dabei sein sollte.

Höchst angenehm überrascht waren wir von der Rücksichtnahme der spanischen Autofahrer. Wir müssen schon sehr lange zurückdenken, wann wir Ähnliches erlebt haben. Selbst auf breiten Landstraßen bremsen auch LKWs ab und überholen nicht (!) bei Gegenverkehr, fast immer wird zum Überholen die volle Gegenspur eingenommen.

Die Menschen waren immer freundlich und hilfsbereit, auch wenn unser jeweils dreijähriges Schulspanisch nunmehr 20 Jahre alt ist...

Technische Daten:

Datum km Fahrtzeit Höhenmeter Übernachtung T min T max Kosten Euro
04.03.2005 11,8 0:49 186 m 120 m  6 7 41
05.03.2005 112,17 7:21 2291 m 490 m 3 12 15
06.03.2005 100,72 6:00 789 m 140 m -3,4 14 6
07.03.2005 93,32 6:15 658 m 285 m 2,4 13 17
08.03.2005 110,25 7:00 983 m 675 m -3,6 13 5
09.03.2005 97,47 6:44 1663 m 860 m -0,2 19 11
10.03.2005 112,73 7:26 1827 m 591 m -2,4 18 10
11.03.2005 38,35 2:01 251 m - 9,1 16 10
Gesamt 677   8648       115

 

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